[2] "In Längsrichtung, positioniert in vier Reihen, liegen je sechs Puppen im Erdreich der Seitenschiffe im Sakralraum der Heiliggeistkirche. Vier zu seiten jedes freistehenden Pfeilerpaares; jeweils ein Zwillingspaar zu seiten jedes Pfeilers. Einzig die Ur-Puppe, welche als einstiges Kinderspielzeug der Künstlerin eine wichtige Rolle spielte, nimmt in der Reihe eine unübersehbare Sonderstellung ein. In ihr bleibt die Herkunft präsent, während die Zukunft sich in den Fernen der Serien, in der Auflösung des Individuums entzieht.
Mit weißem Körper, bäuchlings mit leicht nach rechts geneigtem Kopf und vom Betrachter abgewandtem Antlitz, starren die anderen dreiundzwanzig Artefakte auf die ganz nah vor ihren Augen liegende Erde. Vergleichbar Setzlingen oder Feldfrüchten entlang imaginärer Pflanzlinien, nackt, gleichsam ausgelegt oder ausgesetzt, ohne Mutter, Winterkinder, resistent gegen Kälte und Einsamkeit, mit starrer Haltung gleich flexiblen Menschen der Zweiten Moderne der Bindungslosigkeit anheim gefallen. Vor allem jedoch sind sie Wesen einer Serienwelt, dieser in Konzept und Aufzucht, Funktion und Vertrieb derart verpflichtet, dass sie gar den Blick in den Spiegel aus Identitätskonflikten scheuen könnten. Der vom Scanner übersetzte Barcode scheint sich in der Wiederholung zu überschlagen: Eine Überschreitung ist eine Überschreitung, jede weitere Überschreitung, ist eine Überschreitung der Überschreitung."
Franz Niehoff. Brücken – und Grenzen. Zur Installation "Überschreitung" von Dagmar Pachtner in Heiliggeist zu Landshut, im Katalog zur Ausstellung, S. 32