[4-5] "Welches sind nun also die spektakulären Gedankenwelten, die so unspektakulär in Dagmar Pachtners Kunst sind? Die Installation 'Mit Haar' hat auch den Titel 'künstliche und gewachsene Oberflächen um die Jahrtausendwende'. Die Arbeit ist als ein Depot von Oberflächen zu verstehen, von Materialien, wie sie heute produziert werden. Es gibt Kunstgras, das eine virtuelle Vorstellung von Gras in uns hervorruft. Es gibt aber auch Gras in seiner natürlichen Form, das für den Wachstumsprozess steht, für das 'in der Natur sein'. Die Gegenüberstellung von künstlichem und echtem Gras bringt uns, wenn wir unseren Erinnerungen und Gefühlen nachgehen, zu der Frage: Wie geht der Mensch mit Natur in seinen Vorstellungen um? Was ergibt sich aus diesen Vorstellungen für seine Handlungen? Wie wird grüne Farbe – die dann oft allein schon für Gras steht – in den Kunst- und Konsumwelten eingesetzt? Die Methode Dagmar Pachtners ist es, Materialien aus ihren künstlichen Zusammenhängen heraus zu nehmen, damit sich solche Assoziationen entzünden. Die Oberflächen des menschlichen Körpers, Haut und Haare, sollen mit den Oberflächen der Landschaft in Beziehung gesetzt werden. Blaues Neonlicht tritt hier – wie auch schon in vielen früheren Arbeiten Dagmar Pachtners – als weitere Dimension dem Werk hinzu und lässt an Himmel oder Unendlichkeit denken. Wie stellen sich solche vergänglichen Materialien wie Tüll, Vlies, Filz und Haut im Angesicht dieses blauen Lichtes der Unendlichkeit dar? Der Blick auf eigentlich Vertrautes wird entfremdet und erlaubt möglicherweise eine neue Wahrnehmung."
Dr. Antje Oltmann. Einführung zur Ausstellung "Spektakulär unspektakulär" anlässlich der OPEN ART München. 2000
Anmerkung: Es gibt zwei identisch aufgebaute Installationen, von denen die eine oben abgebildete den Titel "Mit Haar", die andere den Titel "Mit Haut" trägt. Die Materialien der zweiten nicht abgebildeten Arbeit sind Aluminium, Fleece, Filz, Tüll, Fotoprint von Haut, Acrylglas und Neon.