[1] "Kaum betritt der Betrachter die Ausstellung, so wird er von dem kalten, sphärischen Blau eine Lichtes ergriffen, das der wuchtigen Schwere des Raumes völlig entgegenwirkt. Es taucht die erdverbundenen Lasten des Gewölbes in eine immaterielle Substanz, die man mit dem bläulichen Duft vergleichen könnte, der sich um ferne Berge legt. So vermittelt plötzlich das vertraute Gewölbe die einmalige Erscheinung einer Ferne, so nah sie auch sein mag. Dieser Raum wird durch die Kunst zu einem beinahe unwirklichen Ort: Was in diesen Raum eintritt, wird verwandelt. Die erdverbundene, körperhafte Immanenz wird überwunden und in ein geistiges Schweben 'ganz nach oben' transzendiert.
Im Zusammenspiel von formaler Beschränkung auf wenige Elemente und dem vorsichtigen Operieren mit Assoziationen in den Bildtafeln, die sich auf Gitter- und Geflechtstrukturen beschränken, lässt die Künstlerin so ein gedankliches Zwielicht entstehen. Ehe sich der Besucher versieht, ist er in diesem Zwielicht nicht mehr nur Zuschauer, sondern auch Akteur auf einer Bühne, die dem experimentellen Theater nicht unähnlich ist, welches dem Zuschauer Erfahrung ermöglichen will: Eine Erfahrung, die über eine optische oder physische Wahrnehmung hinausgeht: Gerade in der Uneindeutigkeit und der Fülle gedanklicher Bezüge erfährt sich der Betrachter als Individuum, das steter gedanklicher Veränderung unterliegt und sich gerade im Annehmen dieser Veränderung als unteilbares Ganzes, als Individuum begreift."
Franz Schneider. Raumeinwärts. Auszug aus der Eröffnungsrede zur Ausstellung. 1996