[1-5] "Nicht ohne Grund wird Dagmar Pachtner ... davon sprechen, ihre Ausstellung in der Neuen Galerie Landshut sei als 'Sichtung' dessen zu verstehen, was in ihrer Arbeit war, was ist und was möglicherweise sein wird. Schon der Titel 'Blick zurück nach vorn' arbeitet im wesentlichen mit jenem Paradoxon, das die zeitliche Dimensionalität bei genauerem Nachdenken bedeuten kann. Wie ist es möglich, dass ausgerechnet bei einem Blick zurück etwas wahrgenommen werden soll, das zeitlich betrachtet erst noch vor uns liegt?
Wer sich einen Überblick über Dagmar Pachtners künstlerische Arbeit der vergangenen Jahre zu verschaffen versucht, ahnt bald, dass ihr der Blick über die eigene Schulter offenbar zu dem Versuch gerät, die Begrenzungen der eigenen künstlerischen Gegenwart auf eine Dimension des Unbekannten, des Unbenennbaren und im besten Sinne auch Unaussprechlichen hin zu durchbrechen.
Dieser Wille wird in vielerlei Hinsicht handgreiflich, beispielsweise dadurch, dass Dagmar Pachtner sehr genau darauf achtet, in dieser Ausstellung von jedem ihrer Werke fünf Exemplare zu präsentieren. Das hat weniger mit der Akribie einer Künstlerin zu tun, die sich für ihre Arbeit willkürlich ein bestimmtes Korsett auferlegt hätte, sondern macht für den Betrachter eher die Begrenztheit der Auflage sichtbar. Wer für solches Denken sensibilisiert ist, ahnt schon an diesem Detail, dass er es mit einem Versuch zu tun hat, durch den künstlerischen Umgang mit den Begrenzungen die Grenzen selbst zu überschreiten. Und noch etwas ahnt der Betrachter: Solche 'Grenzübertritte' werden nichts bieten, das eindeutig benannt und beschrieben werden könnte.
Auch durch das angedeutete Herauslösen ihrer Werke aus deren unmittelbaren Bezügen verweist Dagmar Pachtner darauf, dass hier etwas dem begrenzenden menschlichen Verstand auf einen Horizont des Ästhetischen hin entrissen werden soll. Die exakt 25 auf 25 Zentimeter messenden metallenen Grundrahmen der Werke wurden von der Künstlerin so montiert, dass die eigentlich sichtbaren Elemente vor der festen Wand des Ausstellungsraumes zu schweben scheinen – der Betrachter weiß, dass sie an der Wand befestigt sein müssen und nimmt den Anblick des Befestigten doch als etwas Schwebendes wahr. Dadurch wird evident, dass es sich bei diesen Werken weniger um Symbole handelt, die eingehängt wären in das Gefüge von Transzendenz und Immanenz, sondern um Arbeiten, die den Betrachter auf den Versuch verweisen, im Spiel der Zeitlichkeit gleichsam für den Moment aus dem Tritt zu kommen."
Stefan Offenhäuser. Auszug aus der Einführung im Katalog zur Ausstellung. 1998